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Das ewl Areal öffnet die Tore
Masswerk Architekten Luzern und E2A Architekten in Zürich sind die kreativen Köpfe hinter der Architektur des ewl Areals. Gemeinsam hat das Team das Siegerprojekt «Rotpol» entworfen. Dank dem intensiven Dialog verschiedener Interpretationsideen finalisierte sich eine klare Projektidee. Sie diversifiziert und differenziert die einzelnen Gebäude, denn Projekte dieser Grösse und Dimension werden «nutzerscharf» unterteilt.
Im Herbst 2013 fiel der Startschuss für den Entwicklungsprozess des ewl Areals. Für die Teilnahme am Arealentwicklungswettbewerb wurden sechs Entwicklerteams – bestehend aus Entwickler und Planer – ausgewählt. Mit der Präsentation des Siegerprojekts im Sommer 2019 wurde ein wichtiger Meilenstein erreicht. Die Arbeitsgemeinschaft Halter+Eberli zeichnet sich für das Siegerprojekt «Rotpol» verantwortlich. Dahinter stecken einige kreative Köpfe aus Luzern und Zürich: E2A Architekten mit rund 35 Köpfen wurde von den Brüdern Piet und Wim Eckert gegründet. Masswerk Architekten umfassen ein Team mit 33 Köpfen. Im Gespräch anwesend waren die beiden Partner Benedikt Rigling und René Bosshard sowie das Team Piet und Wim Eckert.
Ihr habt mit Eurem Projekt «Rotpol» die Jury überzeugt. Eine herausragende Leistung, insbesondere wenn man die Komplexität des neuen Areals bedenkt. Ein zentraler Punkt bei der Planung war die Anbindung an den bestehenden Stadtkörper und die Durchlässigkeit des Areals. Wie haben Sie diese Herausforderung gemeistert?
René Bosshard: Die gegebenen Strassenräume sowie Wegführungen unterstreichen die notwendige Weiterführung der Unterlachenstrasse für den Langsamverkehr mitten ins Herz des neuen Areals. Die geplante, öffentliche Passage führt direkt in den Innenhof und weiter auf den öffentlichen Platz vor dem Roten Haus. Entlang dieser Passage ist zudem ein Restaurant angedacht.
Wim Eckert: Menschen arbeiten in Werkstätten, Lager- und Büroräumen. Was sich im Inneren dieser Gebäude abspielt, spiegelt sich auch im Aussen. Die Durchlässigkeit findet also auch im visuellen Austausch statt. Das komplette ewl Areal ist porös und nimmt die klassischen Motive und Proportionen einer Stadt wieder auf. Die feine Kalibrierung zwischen dem öffentlichen Raum und den Nutzern ist sehr wichtig, damit sich lokale, quartierbildende Funktionen aufbauen können. Dieser Raum muss dicht, bespielbar und aktivierbar sein, damit sich Menschen hier wohlfühlen.
Wie ist der Umgang mit der Dichte und der Nähe zu den Nachbararealen? Ist es möglich und sinnvoll, auf dem Areal zu wohnen trotz ewl, Feuerwehr und weiteren Blaulichtorganisationen?
Benedikt Rigling: Der viergeschossige Riegel der Feuerwehr seitens der Fruttstrasse blockiert den Schall und Lärm der Geleise und der Strasse, sodass die Industriestrasse davon befreit ist. Die Erschliessung der Tiefgarage erfolgt über die Fruttstrasse, einzige Ausnahme bildet das Wohnen. Der Aufbau der Bautypologie der zwei Wohnkuben entlang der Industriestrasse zeigt eine hohe Qualität auf: Zum einen ist die Aussichtslage grossartig und die Besonnung hervorragend. Zum anderen sind die Wohnungen von Schall und Lärm von den Bahngeleisen wie auch von den Blaulichtorganisationen optimal abgeschirmt. Hierfür haben wir spezielle Tests für Lärm- und Schallemissionen machen lassen.
Piet Eckert: Die Öffnung dieser grossen Industriebrache im Zentrum von Luzern in ein durchmischtes Areal ist der eigentliche Protagonismus dieses Projekts. Mit dieser engmaschigen Durchmischung nimmt Luzern leider noch immer schweizweit eine Pionierrolle ein. Die Vereinigung von Infrastruktur, Stadtfunktionen, Vitalität und Urbanität fordert spezifische Bautypen. In der Architektursprache gibt es übergeordnete Themen, die über die Sockelnutzung hinausgehen, in Form von Strukturpräsenz. Das Areal ist als gesamtes erfahrbar und dennoch ausdifferenziert. Die grosse Herausforderung liegt zum einen in der gemeinsamen Beherrschung dieses aussergewöhnlichen komplexen Programms. Auf der anderen Seite musste für die übergeordnete Idee ein Prinzip gefunden werden, diese umzusetzen. Jedes Gebäude hat andere Inhalte und dadurch hat jedes seine eigene Identität erhalten. Damit ist einfach erkennbar, für was die Gebäude eigentlich stehen.
Sie haben das Areal «nutzerscharf» aufgeteilt – was genau heisst das und inwiefern beeinflusst es die Umsetzung?
René Bosshard: Wir haben das Areal klar strukturiert und in drei eigenständige Gebäude aufgeteilt. In der ersten Etappe werden die von E2A konzipierten Fabrik- und ewl Gebäude realisiert. Von hier aus erfüllt ewl ihren öffentlichen Auftrag. Auch diverse Dienstleistungsabteilungen der Stadt Luzern sind hier untergebracht. Ein weiterer Bestandteil der ersten Etappe bildet eine Kindertagesstätte.
Benedikt Rigling: In der zweiten Etappe wird das dritte, von Masswerk konzipierte Wohn-, Gewerbe- und Hofgebäude erstellt. Dieses besteht aus einem grossen, öffentlich zugänglichen Innenhof, einem Restaurant, einem Café, einem Pflegezentrum sowie 72 Genossenschaftswohnungen der abl. Gewohnt und gelebt wird ausschliesslich in Richtung Industriestrasse und Rotem Haus. Die Wohnungen ruhen über allem zurückgezogen in den obersten Etagen. Weitere wichtige Nutzer sind zudem die Blaulichtorganisationen – sie befolgen eine bestimmte Logistik, damit sie in minutenschnelle für ihren Einsatz bereit sind.
Wo stecken die Herausforderungen dieser Arealüberbauung?
Wim Eckert: Im Zürcher Baurecht ist die Verbindung von Wohnen und Industrie noch gar nicht erlaubt. Die Stadt Luzern ist schweizweit einen grossen Schritt voraus in der Erhöhung der urbanen Qualität eines Industrieareals. Das neue Areal muss nicht nur die Infrastruktur der Stadt gewährleisten, sondern hat den Mut, Wohnen und Arbeiten zu vereinen.
Piet Eckert: Eine Stadt besteht nicht nur aus kleinst-romantisiertem Wohngeviert mit hohen Wohlfühloasen, sondern eine Stadt benötigt immer auch grosse, hohe Häuser. Solche Häuser thematisieren nicht den näheren Kontext, sondern decken mit ihrer Nutzung ein Leistungsspektrum für die gesamte Stadt ab. Städtische Dienstleistungen wie die Grundversorgung Strom und Wasser wie auch Blaulichtorganisationen werden im Stadtzentrum benötigt und gehören nicht in die Agglomeration. Die Bevölkerung hat ein Anrecht auf zeitnahe Versorgung, Rettung und Schutz. Die Nutzer dieses Areals erbringen für die ganze Stadt Luzern eine sehr wichtige und zentrale Leistung und das kann unmöglich mit Kleinstbauten gewährleistet werden. Der Stadtorganismus braucht Verwaltung und Versorgungslogistik. Die Zusammenführung dieser Komplexität produziert eine starke Form von Urbanität und nicht eine reduzierte Form mit Wohlfühloasen.
Informationen zu den beiden Architektenteams gibt es auf E2A.ch und masswerk.com.